Wahrheiten aus dem sportlerleben: Doping-Probleme

Als es klingelte, lag ich noch im Bett. In Unterhose und T-Shirt rannte ich zur Tür und drückte den Knopf der Freisprechanlage. Dann hörte ich draussen im Treppenhaus jemanden sagen: «Hallo? Wir sind hier oben!»

Wir? Wer wagt einen Gruppenbesuch an einem Freitagmorgen kurz nach 6? Ich spähte durch das Guckloch. Und da sah ich sie stehen: Zwei Frauen, ein Mann, mit Seitentaschen über den Schultern und Formularen in der Hand.

Mir wurde beinahe schwarz vor den Augen. Nicht einmal zwei Stunden waren vergangen, seit ich selber durch diese Tür gegangen war. Mein Hirn bastelte undeutliche Bilder zusammen: Ich im Training. Später auf dem roten Teppich der Swiss Snowboard Awards. Ich mit einem Prosecco in der Hand und auf der Tanzfläche. Ich noch später auf dem Heimweg, platt wie ein Brötchen.

Dass nun, nur kurz nach diesen Ereignissen, Dopingkontrolleurinnen in meiner Wohnung standen, hatte ich mir selbst zu verdanken. Als WM-Medaillengewinnerin musste ich täglich ein Zeitfenster von 90 Minuten angeben, während dem man mich an einem bestimmten Ort für eine Urinprobe auffinden konnte. Und weil auch Sportlerinnen nicht immer im Detail wissen, wo sie wann sind, machte ich es so wie die meisten: Der Einfachheit halber bestellte ich die Inspekteurinnen frühmorgens zu mir nach Hause.

Als ich die «Whereabouts» so eingerichtet hatte, rechnete ich allerdings nicht mit den Schwierigkeiten, die an jenem Morgen eintraten. Ich musste feststellen, dass ich vor dem Zubettgehen zwar nicht zu wenig Flüssigkeit zu mir genommen hatte. Aber wohl die falsche: Bei diversen begleiteten Toilettengängen lernte ich, dass die harntreibende Wirkung von Prosecco kurzfristiger Natur ist. Es war eingetreten, was ich an diesem Morgen – dem einzigen im Jahr, an dem man mich zu Hause zur Dopingkontrolle bat – am wenigsten brauchen konnte: Die totale Dehydrierung.

Und so sass ich mit Kopfschmerzen am Küchentisch, vor mir ein grosser Krug Tee, gegenüber drei gesprächige Sportfans, die nebenberuflich für Antidoping Sportlerinnen kontrollieren. Drei! Eigentlich kam jeweils nur eine Person zum Überraschungsbesuch. Aber an diesem Tag waren zwei Lernende dabei, die nun auch auf ein Lebenszeichen meiner Blase warteten. Normalerweise, soviel wussten sie bereits, dauere die Abgabe der Probe nicht länger als eine halbe Stunde.

Wie lange es gehen kann, wenn es nicht normal läuft? Nur so viel: Es war beinahe Mittag, als ich völlig erschöpft und mit einem gluckernden Bauch zurück ins Bett kroch. Das Leben als Sportlerin kann unfassbar ermüdend sein!

(Publiziert in Nº1)

Waterfall